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Zweites Bundesberufungsgericht will Rechtsstreit über Kunstbesitz nochmals von vorne anfangen
Daniel Wise
New York Law Journal
7.9.2010
Die Erben eines Kunstsammlers, der in einem Konzentrationslager der Nazis ums Leben gekommen ist, haben noch eine Chance erhalten, ihren Anspruch nachzuweisen, dass eine Zeichnung von dem österreichischen Expressionisten Egon Schiele von ihrer Familie gestohlen wurde.
Das 2. US Bundesberufungsgericht hat letzte Woche in Sachen Bakalar v. Vavra, 08-5119-cv, geurteilt, dass sich Richter William H. Pauley (südlicher Bezirk) in der Feststellung des Besitzers des Werkes bei Anwendung von Schweizer Recht im Gegensatz zu New Yorker Recht geirrt hätte.
Der Beschluss des Gremiums annulliert Pauley’s Feststellung, dass David Bakalar (ein amerikanischer Kunstsammler) der rechtmäßige Besitzer von „Woman Seated with Bent Left Leg (Torso)“ [Sitzende Frau mit hochgezogenem Knie (Torso)] wurde, als er 1963 die Zeichnung von einer New Yorker Kunstgalerie für 4.300 $ kaufte.
Vier Monate zuvor hatte die New Yorker Kunstgalerie die mit schwarzer Kreide und Farbe auf Wasserbasis erstellte Zeichnung von einer Schweizer Kunstgalerie erworben. 2004 hat Bakalar die Zeichnung bei einer durch Sotheby’s in London durchgeführten Auktion für 675.000 $ verkauft.
Sotheby’s legte den Verkauf auf Eis, nachdem die Erben des österreichischen Kunstsammlers und Kabarettisten Franz Friedrich „Fritz“ Grünbaum vorgetreten sind, um ihren Besitzanspruch auf dieses Werk zu erheben. Grünbaum wurde bei seiner Flucht von Wien 1938 von den Nazis festgenommen und ist 1941 in Dachau verstorben.
Die zwei Erben, der tschechische Staatsbürger Milos Vavra und der New Yorker Leon Fischer, haben 2005 zusammen mit Bakalar gegenseitig Prozesse geführt, wobei beide Parteien als rechtsmäßiger Besitzer anerkannt werden wollten.
Bei der Feststellung, Bakalar sei der Besitzer, hat Richter Pauley Schweizer Recht angewendet, wonach Bakalar, als gutgläubiger Käufer nach fünf Jahren den Anspruch auf das Werk erwerben würde, ohne dass irgendein anderer Anspruch geltend gemacht wurde – auch wenn die Zeichnung gestohlen worden wäre.
Bei dieser Frage unterscheidet sich New York Recht sehr: unter keinen Umständen kann ein Dieb irgendein ordnungsgemäßes Eigentumsrecht übertragen und eine Person, dessen Eigentum gestohlen wurde, hat ein höheres Anspruchrecht als ein gutgläubiger Käufer.
In einem Schreiben für das Bundesberufungsgericht kommt Richter Edward R. Korman, vom New Yorker Ostbezirk bestellt, zum Schluss, dass sich Pauley bei der Anwendung von Schweizer Recht auf die falsche Überprüfung verlassen hätte. Das Gremium hat den Fall an Pauley für weitere Verhandlungen zurück verwiesen und, „falls erforderlich, für einen neuen Prozess“.
Korman schrieb noch eine zustimmende Beurteilung, worin er Pauley’s Feststellung in Frage stellt, dass die Grünbaum Erben es versäumt hätten, „irgendwelche konkreten Beweise zu liefern, dass die Zeichnung von den Nazis geplündert wurde“.
Korman schrieb, dass sein Verständnis der Akte eher darauf hinweist, dass Grünbaum „gegen seinen Willen seines Besitzes und Eigentumsrechts [der Zeichnung] beraubt wurde“.
Richter Jose R. Cabranes und Richterin Debra Ann Livingston stimmten Richter Korman’s Haupturteil zu.
Streit über Provenienz
Es wird heiß bestritten, ob die Schiele Zeichnung von den Nazis gestohlen wurde.
Bakalar behauptet, dass Grünbaum’s Schwägerin die Zeichnung 1956 zusammen mit 45 weiteren Schiele Werke an eine Schweizer Kunstgalerie, Galerie Gutekunst, verkauft hätte. Diese Behauptung wird durch Dokumente in den Akten der Schweizer Kunstgalerie unterstützt, welche „vernunftsmäßig unumstritten“ zeigen, dass die Schwägerin Mathilde Lukacs die Verkäuferin war – sagte der Bakalar’s Anwalt, James A. Janowitz, von Pyor Cashman.
Der Anwalt der Erben, Raymond Dowd von Dunnington, Barthlow & Miller, nannte die Behauptungen von Bakalar „eine komplette Erfindung, basierend auf gefälschten Dokumenten“.
Ungefähr vier Monate, nachdem die Galerie Gutekunst die Zeichnung erworben hatte, hat sie diese an die Galerie St. Etienne in New York verkauft, welche diese wiederum sieben Jahre später an Herrn Bakalar verkaufte.
Korman sagte, Pauley hätte überlegen müssen, welcher Gerichtsbezirk das größte Interesse an diesem Fall hatte.
Wie das Berufungsgericht des Staates New York bei verschieden Gelegenheiten erklärt hat, besteht für New York „zwingendes Interesse“ daran, die Integrität des Kunstmarktes zu bewahren. Zum Beispiel, in Guggenheim Foundation v. Lubell, 77 N.Y. 2d 311 (1991), schrieb der ehemalige vorsitzende Richter Sol Wachtler für ein einstimmiges Gericht: „New York genießt seinen internationalen Ruf als überragendes Zentrum der Kultur. Wenn man die Last, gestohlene Kunstwerke zu finden, auf den rechtmäßigen Eigentümer abwälzt…würde dies, glauben wir, den illegalen Handel in Raubkunst fördern.
Im Vergleich, Korman beschreibt das Schweizer Interesse als „dürftig“. Die Anwendung von New York Recht könnte zwar dazu führen, dass die New Yorker die Herkunft des Werkes näher anschauen – was wiederum, überlegt er, „ausländische Kunstverkäufe durch Schweizer Kunstgalerien negativ beeinflussen könnte“.
Bei der Auswahl des anzuwendenden Rechts müsste dieses Schweizer Interesse aber dem „erheblich größeren Interesse“ von New York weichen, den Staat davor zu schützen, „einen Markt für Diebesgut zu werden“.
Zur Frage Bakalar’s Eigentumsrecht bemerkte Korman, dass aus der Akte hervorgeht, dass Grünbaum genötigt wurde, vier Monate, nachdem er von den Nazis festgenommen und in Dachau inhaftiert wurde, eine Vollmacht zu erteilen, wodurch seine Frau Kontrolle über seine Kunstwerke erhielt.
Gemäß §2-403(1) des einheitlichen Handelsgesetzes, das in New York eingeführt wurde, wird der Status als gutgläubiger Käufer nur bei „freiwilliger“ Übertragung des Eigentums verliehen.
Im Fall Grünbaum, lassen die Umstände „stark darauf schließen, dass er die Vollmacht mit vorgehaltener Pistole erteilte“, sagte Korman. Wenn dies stimmte, schrieb er, wäre laut New York Recht „jegliche nachfolgende Übertragung ungültig“.
„Die Andeutung von [Herrn] Bakalar, diese Vollmacht stelle eine freiwillige Übertragung des Eigentums an [Herr Grünbaum’s] Frau dar, ist eine Behauptung, welche er erst noch beweisen muss.“
„Wenn er dies nicht tut“, fügte Korman hinzu, auch wenn Grünbaum’s Frau Elizabeth das Eigentumsrecht ihrer Schwester übertragen hat, um zu vermeiden, dass die Werke in die Hände der Nazis geraten, „konnte sie kein gültiges Eigentumsrecht auf die Kunstwerke übertragen“.